Grüne und SPD sauer Zahlt ein städtisches Unternehmen eine CSU-Kampagne?

Eine Agentur erstellt eine Kampagne zum Stadtjubiläum. Auf Fotos und Videos dazu sind fast nur CSU-Politiker zu sehen. Doch die Partei will damit nichts zu tun haben.
Nürnberg ist in diesem Jahr 975 Jahre alt geworden. Dazu gibt es eine Kampagne namens "NBG 975", samt Internetseite, eigenen Sporttrikots, Social-Media-Profil und einem Fotopunkt für Selfies in der Innenstadt. Diesen hat auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft wbg mitbezahlt. Offiziell steckt hinter der Kampagne eine Werbeagentur. In der Kommunalpolitik sehen manche darin einen Skandal, sie vermuten eine versteckte Wahlkampfaktion der CSU.
Hintergrund ist, dass man auf dem Instagram-Account der Kampagne etwa Oberbürgermeister Marcus König (CSU), Andreas Krieglstein, den Fraktionsvorsitzenden der Christsozialen im Stadtrat, sowie deren Parteifreunde durch die Stadt joggen sieht. Politiker anderer Parteien sind in den Fotos und Videos auf dem Account hingegen kaum zu sehen.
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"Zukunft-O-Mat" verunglimpft manche Nutzer
Dazu kommt, dass auf der Webseite der Kampagne ein sogenannter Zukunft-O-Mat hinterlegt ist. Dabei handelt es sich um eine Art Fragebogen, der an den "Wahl-O-Mat" erinnert. Der "Wahl-O-Mat" stammt von der Bundeszentrale für politische Bildung und wird etwa vor Bundestagswahlen online geschaltet. Das Tool fragt die Meinung von Interessierten ab und vergleicht diese mit der Position verschiedener Parteien.
Auch beim "Zukunft-O-Mat" werden Meinungen zu kommunalpolitischen Themen abgefragt. Beispielsweise zur Belebung der Innenstadt, dem Ausbau des Frankenschnellwegs oder der Magnetschwebebahn, die die CSU im Süden der Stadt gerne bauen würde. Enthalten ist aber auch die Frage, ob dem 1. FC Nürnberg bis 2050 die zehnte Fußballmeisterschaft gelingt.
Je nachdem, wie man die Fragen beantwortet, wird man entweder nur um Kontaktdaten gebeten oder zusätzlich als "Nimby" bezeichnet. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet ausgeschrieben "nicht in meinem Hinterhof". Damit sind Menschen gemeint, die einerseits bestimmte Projekte nutzen wollen, sie aber nicht in ihrer Nähe haben wollen. Ein klassisches Beispiel sind etwa Leute, die sagen, dass sie sich eine Stadt wünschen, in der etwas los ist. Dann aber protestieren, wenn in ihrem Haus ein Restaurant eröffnet.
Grüne: "So etwas macht man als demokratische Partei nicht"
Auffällig bei dem Tool ist, dass vor allem Menschen, deren Meinung nicht der CSU-Position entspricht, als "Nimby" bezeichnet werden. Achim Mletzko, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Nürnberger Rathaus, sagt: "Der 'Zukunft-O-Mat' präsentiert CSU-Ideologie als vermeintlich objektive Lösung. Das irritiert einen sehr." Er geht davon aus, dass die CSU die Kampagne in Auftrag gegeben habe und das jetzt verschleiere. "So etwas macht man als demokratische Partei nicht", meint Mletzko.
Christine Kayser, Fraktionsvorsitzende der SPD, zeigt sich ebenfalls irritiert. Sie spricht von einer "Vermischung von Partei, Wahlkampf und Stadt Nürnberg". Die Sozialdemokratin betont, dass keine andere Partei außer der CSU zur Eröffnung des Fotopunkts eingeladen gewesen sei. Auch die Sport-T-Shirts habe nur die CSU erhalten. "Für mich tun sich Fragen über Fragen bei dem Thema auf", sagt Kayser.
wbg-Sprecher: "Inhaltlich nicht involviert"
Auch welche Rolle die wbg bei der Kampagne spielt, treibt die Kommunalpolitiker um. "Dass sich ein städtisches Unternehmen an der Initiative der Agentur 'Kaller und Kaller' beteiligt, ist bedenklich", sagt Kayser. Mletzko von den Grünen glaubt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die wbg durchblickt hat, was hinter der Kampagne steckt."
Ein Sprecher des Unternehmens räumte auf Nachfrage von t-online zwar ein, dass sich die wbg an der Erstellung des Fotopunkts beteiligt habe. Inhaltlich sei das Unternehmen in die Kampagne aber nicht involviert gewesen, betont er. Wie viel Geld die wbg gezahlt habe, wollte er nicht sagen.
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CSU: "Arbeiten nicht mit der Agentur zusammen"
Andreas Krieglstein von der CSU weist wiederum die Vorwürfe der politischen Konkurrenz entschieden zurück. Er kenne zwar Mark Kaller persönlich, einen der Geschäftsführer der Agentur, die Kampagne sei aber nicht von seiner Partei beauftragt worden, beteuert Krieglstein. Im aktuellen Kommunalwahlkampf arbeite die CSU gar nicht mit "Kaller und Kaller" zusammen. "Der Fotopunkt war ein Geschenk an die Stadt zum 975. Geburtstag, das begrüße ich und halte ich für legitim", sagt Krieglstein.
Gleiches sagt auch Mark Kaller auf Nachfrage von t-online. Seine Agentur sei der Urheber der Kampagne. Einen externen Auftraggeber gebe es nicht. Auch beim "Zukunft-O-Mat" habe er selbst die Positionen eingepflegt. Weiter sagt Kaller: "Wer Fortschritt ablehnt, ist eben ein 'Nimby'." Weiter verweist der Unternehmer darauf, dass die Kontaktdaten im "Zunft-O-Mat" datenschutzkonform erhoben würden.
- Telefonate mit Andreas Krieglstein, Achim Mletzko und Christine Kayser
- Anfrage bei den Pressestellen der Stadt Nürnberg und der wbg
- Anfrage bei Kaller und Kaller
- nbg975.de


