Baugrube am Aufseßplatz "Man hat uns vergessen"

Eine große Baugrube, ein Bauzaun und Alkoholprobleme. Das ist am Aufseßplatz seit Jahren die bittere Realität. Wie geht es dort jetzt weiter?
Karin Schöne ist frustriert – genau wie viele andere am Aufseßplatz. Dort, wo früher das Einkaufszentrum "Schocken", zuletzt Galeria Kaufhof, stand, klafft nämlich seit Jahren eine Baugrube, die mit Wasser vollgelaufen ist. Schöne ist deshalb zunehmend in Sorge um die Südstadt, die sie eigentlich sehr schätzt, wie sie sagt. Sie ist im Bürgerverein Nürnberg-Süd aktiv und vermietet mit ihrem Mann das Rondell am Aufseßplatz. Ihr Vater hat das kleine Haus mit Zeltdach 1976 gebaut. Damals war der Aufseßplatz noch das geschäftige Zentrum der Südstadt, erinnert sich Schöne.
Das ist mittlerweile lange her: 2012 machte die Kaufhof-Filiale, der letzte Mieter im "Schocken", dicht. Dann stand das Kaufhaus jahrelang leer. Doch der eigentliche Niedergang des Viertels begann, nachdem die niederländische Baufirma Ten Brinke Group das Areal gekauft hatte und das ehemalige Kaufhaus abgerissen wurde.
Zwar präsentierte das Unternehmen ambitionierte Neubaupläne: Büroflächen, ein Kindergarten und mehr als 200 Wohnungen sollten im sogenannten "Schocken-Carré" Platz haben. Doch der Baubeginn wurde immer wieder verschoben. Bis heute haben die Arbeiten nicht begonnen. Unternehmen und Stadt haben sich in den vergangenen Jahren wechselseitig die Schuld dafür zugewiesen.
Alkohol, Drogen und Ratten
Die Baugrube ist geblieben. Und drumherum werden die Probleme immer größer. Eine Trinkerklientel habe sich mittlerweile rund um die Bauzäune angesiedelt, klagt Schöne. Dealer wickelten zudem ihre Drogengeschäfte am Aufseßplatz ab. "Vormittag ist es meist noch harmlos, die Stimmung kippt, umso mehr Alkohol getrunken wird", berichtet Schöne. Sie selbst lebt in Feucht, kennt den Platz aber seit ihrer Kindheit und sei bis heute dort mehrmals pro Woche unterwegs. Auch Ratten, angezogen durch den "See" in der Baugrube, seien mittlerweile ein Problem, sagt sie.

Kriminalität am Aufseßplatz
Auch die Polizei bestätigt t-online auf Nachfrage, dass sich am Aufseßplatz verstärkt Menschen aus der "Trinkerszene" aufhielten. "Das ungenutzte und durch einen Bauzaun abgesperrte Gelände hat Bereiche entstehen lassen, die wenig soziale Kontrolle zulassen und problematisches Verhalten begünstigen", teilt ein Sprecher mit. Die Folge seien Lärmbelästigung, Vermüllung, aber auch Ordnungsverstöße und Straftaten, was das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtige. Allerdings sei die Kriminalität dort in absoluten Zahlen zuletzt zurückgegangen. Der Sprecher verweist zudem darauf, dass sich an dem Platz auch schon vor der Baugrube "soziale Randgruppen" aufgehalten hätten.
Darunter leiden auch die Geschäfte am Aufseßplatz. Hasan und Serpil Özdemir sind Mieter in Schönes Rondell und betreiben den "Euphrat-Imbiss". Noch nie sei die Lage so schlimm gewesen wie jetzt, berichten sie. Ihnen blieben die Kunden weg, hinzu komme, dass viele Anwohner wegen der Baugrube, der Ratten und der Trinker vom Aufseßplatz weggezogen seien. Das Urteil von Schöne und ihren Mietern: "Man hat den Aufseßplatz und die Südstadt vergessen."
Das ärgert sie besonders deshalb, weil sie die Südstadt und das Lebensgefühl dort schätzt. Sie beschreibt den Stadtteil als "buntes Mosaik" mit Einwohnern aus 170 verschiedenen Nationen. Das mache die Südstadt "facettenreich und liebenswert", sagt Schöne.
Baureferent: Stadt habe kaum Handlungsspielraum
Den Vorwurf, die Südstadt sei vergessen worden, weist die Stadt zurück. Baureferent Daniel Ulrich (parteilos) verweist etwa darauf, dass die Stadt kaum Handlungsspielraum habe, da das Grundstück nicht in ihrem Besitz sei. Dass Ten Brinke trotz vorhandener Genehmigung nicht baue, sei "zutiefst ärgerlich".
Und dennoch scheint jetzt Bewegung in die Sache gekommen zu sein: Am Mittwoch (24. September) wird die Verwaltung im Stadtrat auf Antrag der SPD-Fraktion einen Bericht zum aktuellen Stand abgeben. Außerdem ist am kommenden Montag, 29. September, ein Treffen zwischen Vertretern der Stadt und des Bauunternehmens angesetzt.
Unternehmen widerspricht Stadt
Der Knackpunkt ist derzeit, dass Ten Brinke einen Käufer sucht, der das Gebäude nach dem Bau übernimmt. Nach den Angaben von Baureferent Ulrich laufen dazu Verhandlungen, die Stadt sei auch mit dem potenziellen Käufer in Kontakt. Ein Abschuss der Gespräche scheitere aber an Ten Brinke. Das Unternehmen suche noch nach "Verbesserungen für sich" und habe noch "Nöte", sagt Ulrich.
Ten Brinke stellt das selbst auf seiner Webseite anders dar. Dort heißt es: "Der potenzielle Käufer möchte großflächige Planänderungen, was einen derzeitigen Baustart unmöglich macht." Die Abstimmungen bräuchten "sehr viel Zeit". Würde man jetzt schon beginnen zu bauen, müsste man darauf eventuell einen Teil des Gebäudes wieder abreißen und neu bauen, argumentiert das Unternehmen.
CSU gibt sich optimistisch
Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier (CSU) betont: "Wir wissen um die Bedeutung des Projekts für die Südstadt und die Anwohner des Aufseßplatzes." Oberbürgermeister Marcus König (ebenfalls CSU) habe sich deshalb persönlich in der Käufersuche engagiert. Ohne dessen Engagement gäbe es den aktuellen Kaufinteressenten noch gar nicht, sagt Heilmaier. Zuletzt habe sich die Verwaltung auch dafür eingesetzt, dass die Staatsregierung für das Projekt Mittel im Rahmen des geförderten Wohnbaus zuschieße.
Auch Andreas Krieglstein, der Fraktionsvorsitzende der CSU im Nürnberger Stadtrat, hat Hoffnung, dass die Hängepartie in der Südstadt bald vorbei ist. Er spricht davon, dass sogar zwei Interessenten, jeweils "aus dem öffentlichen Sektor", Interesse daran hätten, das Gebäude von Ten Brinke zu kaufen. Die Pläne seien inzwischen dafür umgearbeitet worden – hin zu mehr Wohnungen. Dass das so lange gedauert habe, sei auch der schwierigen Marktlage in der Baubranche geschuldet, sagt Krieglstein. Bei dem Treffen am 29. September seien aber alle am Tisch.
Ob die Bagger am Aufseßplatz danach rollen werden, ist dennoch nicht sicher. Karin Schöne und ihre Mieter hoffen weiter darauf und freuen sich derzeit auch über kleinere Erfolge. Die Polizei kontrollierte zuletzt verstärkt. Das helfe, sagt sie.
Ein weiterer Erfolg: dass der "Lago di Aufseß", wie manche die Baugrube mit reichlich Galgenhumor mittlerweile nennen, zuletzt im Netz viral ging. "Das zeigt wenigstens, dass der Aufseßplatz noch in den Köpfen unserer Mitbürger ist", meint Schöne und hofft, dass es dort schnell wieder aufwärtsgeht. Die Südstadt sei nämlich eng mit der Erfolgsgeschichte Nürnbergs verbunden, nirgendwo werde Multikulti so gelebt wie dort.
- Reporter vor Ort
- Anfragen bei Bürgermeister Christian Vogel, Baureferent Daniel Ulrich und Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier
- Telefonat mit Andreas Krieglstein
- Anfrage bei der Pressestelle der Polizei


