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Nürnberg

Paviane im Tiergarten Nürnberg: Zoodirektor "würde es wieder machen"


Tiergarten-Direktor über Pavian-Tötung
"Wir würden es genauso wieder machen"

InterviewEin Interview von Meike Kreil

05.09.2025Lesedauer: 7 Min.
Dag Encke vor dem Eingang des Nürnberger Tiergartens: für manchen Tierschützer ein Feindbild.Vergrößern des Bildes
Dag Encke vor dem Eingang des Nürnberger Tiergartens: Für manchen Tierschützer ist er ein Feindbild. (Quelle: Meike Kreil/t-online)
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Zwölf getötete Paviane – und ein Tiergartendirektor im Visier von Tierschützern. Dag Encke würde es genauso wieder tun. Im Interview mit t-online spricht er über die wohl umstrittenste Entscheidung des Sommers.

Über einen Monat ist es her, dass zwölf Paviane ihr Leben lassen mussten. Im Gehege war es zu eng geworden. Der Direktor verteidigt im Interview mit t-online sein Handeln. Er ist sich keiner Schuld bewusst, sondern stellt vielmehr die Grundsatzfrage: Was wiegt mehr – Tierleben oder Tierwohl?

t-online: Herr Encke, wie war es für Sie, einer der meistgehassten Menschen des Sommers zu sein?

Dag Encke: Das habe ich nicht so empfunden. In der direkten Begegnung mit Menschen waren die Diskussionen immer vernünftig. Dass das Thema kritisch beleuchtet wurde, war logisch. Alles andere wäre enttäuschend, wenn es einfach geheißen hätte: "Okay, da wurden jetzt halt ein paar Tiere erschossen."

Und was ist mit den Tierschützern, die vor dem Tiergarten kampiert haben? Oder dem Shitstorm im Internet, der bis heute anhält?

Die Tierschutzgruppen wie "Animal Rebellion" sind berechenbar. Die haben eine klare Meinung, klare Aussagen, verhalten sich sichtbar und korrekt. Ich kann sie verstehen.

Dennoch haben Sie nicht das Gespräch mit ihnen gesucht.

Das war gar nicht möglich. Alles, was an mich herangetragen wurde, lief über Mikrofone oder Medien – das ist keine Gesprächsbasis. Ich lasse mich nicht über ein Megafon zum Dialog auffordern. Wenn jemand mit mir sprechen will, dann bitte direkt.

Was dagegen im Netz passiert, ist ein anderes Phänomen. Der Umgangston macht mich sprachlos. Das sind Kommentare, die von Hass getrieben sind. Das ist völlig entgrenzt und erschreckend.

Können Sie das Wort Pavian noch hören?

Natürlich. Weil ich glaube, dass wir für die Gruppe der Tiere, die jetzt im Gehege lebt, die richtige Entscheidung getroffen haben. Uns haben mehr Menschen verstanden, als wir erwartet haben. Und die Diskussion ist dort gelandet, wo sie hingehört: Nämlich bei der grundsätzlichen Frage, wie wir mit Tieren umgehen und welches Verhältnis wir zu ihnen haben. Moralisch kann man sich nicht gut fühlen, wenn man tötet. Man kann sich nur fragen: Ist es richtig oder nicht?

Keine Spur von Selbstkritik?

Das ist eine Kategorie, die ich nicht sehe. Wir haben das jahrelang gut vorbereitet. Es geht hier nicht um Reue oder Schuld, sondern um ein Dilemma, aus dem wir als Gesellschaft nur herauskommen, wenn wir es gemeinsam aushandeln. Wir wollen Gutes tun: Arten erhalten, Menschen Tiere näherbringen, schwierige Themen in die Öffentlichkeit tragen. Dafür müssen wir aber auch schwierige Entscheidungen treffen.

Was würden Sie aus heutiger Sicht trotzdem anders machen?

Weniger verhüten. Wir haben aus Sorge, dass die Pavian-Gruppe zu schnell wächst, sehr konsequent verhütet. Rückblickend war das zu viel: Viele Weibchen wurden unfruchtbar, es kamen kaum noch Jungtiere nach. Die Folge war, dass die Sozialstruktur der Gruppe zusammenbrach. Gerade die Jungtiere sind zentral für den sozialen Zusammenhalt.

Gleichzeitig haben wir einen genetischen Flaschenhals erzeugt: Die gesamte Gruppe basiert jetzt auf dem Erbgut von nur drei Weibchen. Das hätten wir vermeiden können. An der grundsätzlichen Situation – zu viele Tiere, zu wenig Plätze – hätte das allerdings nichts geändert. Aber es hat die Lage für die Gruppe zusätzlich erschwert.

Das müssen Sie näher erklären.

Hätten wir weniger verhütet, wäre die Geburtenrate früher wieder angestiegen und wir wären schneller an den Punkt gekommen, an dem wir hätten handeln müssen. Wahrscheinlich wäre die Entscheidung zur Tötung dann schon früher gefallen. Für die Gruppe wäre das trotzdem besser gewesen – denn es gab eine Phase ohne Jungtiere, in der die sozialen Spannungen stark zunahmen.

Gab es wirklich keine Einrichtung, die die Tiere hätte aufnehmen können?

Wir haben mit mehreren Einrichtungen gesprochen, aber keine davon war wirklich geeignet. In Slowenien etwa waren die Haltungsbedingungen nicht ausreichend. Das hat ein unabhängiges Expertengremium so bewertet. Wir hatten angeboten, sie zu beraten, um die Standards zu verbessern. Doch in der Zwischenzeit hatte die Einrichtung eine andere Pavianart aufgenommen. Damit war das Gehege besetzt. Ich mache denen da keinen Vorwurf. Wir waren schlicht zu spät dran, um noch etwas zu bewirken.

Was war das Problem bei den anderen Einrichtungen?

In Indien war es noch komplizierter. Dort wollten wir mit mehreren Partnern komplexere Kooperationen erreichen, mussten dafür aber auch offene Fragen zur Herkunft einiger Tierarten klären, die dort gehalten werden. Geplante Folgetreffen wurden immer wieder verschoben, bis schließlich gar nichts mehr kam. Das war intransparent und wir konnten die offenen Fragen nicht klären.

Und dann gab es noch ein Angebot aus Italien. Die wollten zwar helfen – hatten aber schlicht keinen Halter. Also niemanden, der die Tiere übernehmen konnte.


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Ich kann den Tieren ja keine Briefmarke auf den Arsch kleben und sie einfach losschicken.


Tiergartendirektor Dag Encke


Vor allem im Internet wird immer wieder das "Ape and Monkey Sanctuary" in Wales als mögliche Aufnahmestelle genannt. Wieso ist das gescheitert?

Das angebliche Angebot aus Wales war nie belastbar. Es hieß, man könne Paviane übernehmen, auf unsere Nachfragen aber kam nichts zurück. Wir wollten wissen: Wie viele Tiere? Welche Geschlechter? Keine Antwort. Und da muss ich klar sagen: Ich kann den Tieren ja keine Briefmarke auf den Arsch kleben und sie einfach losschicken. Wenn eine Einrichtung nicht einmal grundlegende Informationen liefert, dann ist das unprofessionell. Wir machen jedes Jahr rund 100 Tiertransporte, doch so etwas habe ich noch nie erlebt. Am Ende ging es wohl mehr um Aufmerksamkeit als um das Wohl der Tiere.

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Sie sagen also, Sie haben alles Ihnen Mögliche getan, um die Paviane zu retten?

Ja. Ich wüsste nicht, was wir noch hätten tun können. Wir können die Tiere nicht einfach irgendwohin abladen. Jeder Transport muss beantragt, geprüft und genehmigt werden. Ohne eine professionelle Struktur im Aufnahmeland geht das nicht.

Trotzdem denken viele, alles wäre besser gewesen als das Erschießen?

Das ist aber nicht richtig. Es geht nicht nur darum, dass die Tiere weiterleben, sondern wie sie leben. Wir können sie nicht einfach abgeben, ohne zu wissen, welche Bedingungen sie am Zielort haben. Das hätte ihr Leiden womöglich nur verlängert. Es ist eine Grundsatzfrage: Was wiegt mehr – Tierleben oder Tierwohl?

Moralisch kann man sich nicht gut fühlen, wenn man tötet. Aber manchmal ist es die richtige Entscheidung. Und die gewählte Methode – das Erschießen – war für die Tiere am wenigsten belastend.

Auch das wird von vielen angezweifelt.

Die Alternative wäre Einschläfern gewesen. Das klingt in der Wortwahl harmloser, wäre für die Tiere aber viel belastender gewesen. Man müsste sie erst mit Betäubungspfeilen beschießen, oft mehrfach, bis sie tief genug in Narkose liegen. Erst dann könnte man sie töten. Dieser ganze Prozess hätte für die Tiere deutlich mehr Stress bedeutet. Erschießen ist faktisch die schonendste Methode.

Für die Tiere war das, was passiert ist, im Grunde nichts anderes als ein Transport. Wir mussten sie einfangen, in Kisten setzen. Genau diese Abläufe gibt es bei jedem Transfer. Die Tiere selbst hatten keine Vorstellung davon, was danach geschieht.

Also alles richtig gemacht?

Ich würde es genauso wieder machen. Es gibt in dieser Situation nie eine optimale Lösung.

Gab es Kritik aus den eigenen Reihen?

Es gab in der Belegschaft Diskussionen über die Methode. Und viele Fragen. Aber im Großen und Ganzen herrschte Konsens. Dennoch war die Zeit für alle belastend. Die letzten Wochen waren anstrengend. Viele Mitarbeitende hatten Angst, persönlich angegriffen zu werden. Bis hin zu Sorgen, dass Autoreifen zerstochen werden könnten. Das geht nicht spurlos an einem vorbei.

Und die Reaktion aus der Stadt? Da herrschte öffentliches Schweigen. Hätten Sie sich mehr Rückhalt gewünscht?

Nein. Ich war dankbar. Wir haben ausdrücklich gebeten, das Thema fachlich-sachlich zu behandeln und nicht zu politisieren. Die fachliche Komplexität dieser Entscheidung kann außerhalb des Tiergartens kaum jemand wirklich durchdringen. Wir haben Jahre gebraucht, um dahin zu kommen.


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Die fachliche Komplexität dieser Entscheidung kann außerhalb des Tiergartens kaum jemand wirklich durchdringen.


Tiergartendirektor Dag Encke


Nun sind im Gehege immer noch zu viele Tiere. Gibt es für die restlichen Paviane noch Hoffnung?

Das Gehege war ursprünglich für 25 Tiere plus Jungtiere gedacht. Aktuell haben wir – je nach Zählweise – ein bis drei Tiere zu viel. Wir haben entschieden: Solange es keine Probleme gibt, bleiben sie. Wenn sich das ändert, müssen wir neu bewerten. Das wird sich so in den nächsten zwei Jahren herausstellen.

Und was ist in anderen Gehegen? Auch bei den Kronenmakis etwa sprachen Sie kürzlich von einer Überpopulation.

Bei den Kronenmakis haben wir die Gruppe geteilt, die überzähligen Tiere leben jetzt in einem separaten Gehege. Im Moment sieht es so aus, dass wir für sie Plätze finden können. Grundsätzlich machen wir es seit 1998 so: Nicht vermittelbare Tiere, die auch der menschlichen Ernährung dienen – wie etwa Antilopen, Rinder, Pferdearten –, werden regulär verfüttert. Das ist gesellschaftlich akzeptiert. Bei Affen ist das anders. Die können wir nicht einfach als Futter einsetzen, ohne dass die Gesellschaft versteht, warum.

Im Übrigen: Dass Töten im Naturschutz gang und gäbe ist, zeigt ein Beispiel von den Galapagos-Inseln: Dort hat man alle eingeschleppten Ziegen getötet. Das war ein riesiger Erfolg für den Naturschutz, für mich aber auch eine gruselige Vorstellung. Denn die Ziegen waren so klug, dass sie sich versteckten, sobald sie merkten, dass sie gejagt wurden.

Das Töten der Ziegen auf Galapagos finden Sie gruselig – das der Paviane aber nicht? Dabei sind die Primaten doch dem Menschen viel näher.

Klug ist nicht gleich menschlich. Die Paviane hatten keine Ahnung, was passiert. Bei den Ziegen ging der Prozess über Monate hinweg, sie haben sich versteckt. Sie wussten, dass sie gejagt werden. Das ist ein ganz anderes Szenario.

Was bleibt nun von den vergangenen Monaten?

Vor allem Erschöpfung. Juristisch geht es nun – nach angeblich rund 500 Anzeigen, die gegen uns gestellt wurden – um die Frage, ob es einen "vernünftigen Grund" gab. Persönlich belastender für die Mitarbeitenden des Zoos war aber der Hass im Netz. Morddrohungen gehören leider inzwischen fast zum Alltag und die Schwelle ist erschreckend niedrig geworden. Aber es ist ein Unterschied, ob man so etwas anonym im Internet schreibt oder ob es tatsächlich konkrete Pläne gibt. Letzteres war nach allem, was wir wissen, aber nie der Fall.

Herr Encke, vielen Dank für das Interview.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort im Interview mit Dag Encke
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